P Cygni

Spektroskopie
Berichte


Beobachtungsort: 1220 Wien

Lat. 48°14´31´´ N Long. 16°25´34´´E

Beobachter / Observer: Dr. Thomas SCHRÖFL
E-Mail / email: thomas.schroefl@waa.at
Datum / Date: 06.07.2014
Uhrzeit / Time: 23:30 bis 02:00 MESZ
Beobachtungsort / Location: 1220 Wien
Instrument: Celestron C11, Pentax 75 SDHF, DMK 21AU618.AS, Moravian G2-8300, DADOS- Spektrograph (Gitter 200L/mm)
Bedingungen / Observing conditions:
Durchsicht / Transparency: 2
Grenzgröße / Limiting magnitude: 4.0
Aufhellung / Light pollution: 4
Seeing: 2
Wind: Kein Wind
Temperatur / Temperature: 24°C
Luftfeuchtigkeit / Humidity: 52%
Sonstige Bedingungen / Remarks: Höhe 154m

Was macht man, wenn hartnäckiger Hochnebel nur für wenige Sekunden den Blick zum größten Sonnenfleck seit langem freigibt und an Fotografieren nicht zu denken ist? Richtig, sich ärgern. Aber so heiß kann der Ärger gar nicht sein, dass er den Hochnebel auflöst. Ersatzweise hole ich mir daher astronomisches Vergnügen durch das Ausarbeiten eines Spektrums des Sterns P Cygni, das ich schon am 6.7. aufgenommen habe, Es kann nicht schaden die in Wuppertal vor kurzem wieder aufgefrischten Kenntnisse im Umgang mit der Auswertungssoftware VSpec durch praktische Übungen zu festigen. Im Kurs synchron mit dem Vortragenden seine auf die Leinwand gebeamten Schritte nachzuvollziehen ist das eine, es dann selbst ohne Hilfestellung zu tun aber etwas ganz anderes. Zur Unterstützung liegen neben der Tastatur Bernd Kochs Tutorial (http://www.baader-planetarium.de/dados/download/tutorial-dados-d.pdf), das original Reference Manual und Richard Walkers Praktische Aspekte der Astrospektroskopie (http://www.ursusmajor.ch/downloads/praktische-aspekte-der-spektroskopie-2.0.pdf) und ebenfalls von Walker dessen Spektralatlas für Amateurastronomen Version 5.0 (http://www.ursusmajor.ch/downloads/spektralatlas-5_0-deutsch.pdf).

Der Schweizer Richard Walker befasst sich seit über 40 Jahren mit der Amateurastronomie und seit geraumer Zeit vor allem mit der stellaren Astrophysik und somit auch mit der Astrospektroskopie. Ganz besonders ist an ihm die Tatsache zu schätzen, dass er sein Wissen und seine Erfahrungen auch zu Papier bzw. zu file bringt und im Internet allen daran Interessierten kostenlos zur Verfügung stellt. Meine bibliophile Neigung wird immer wieder von unserem Mitglied Claus Thienel zufriedengestellt, der mir u.a. auch das pdf des Spektralatlas schön ausgedruckt und als Buch gebunden hat. Nun zu P Cygni, dem Hauptakteur dieses Berichtes: P Cygni liegt im Sternbild Schwan und ist ein leuchtkräftiger blauer Veränderlicher (hypergiant luminous blue variable (LBV)) vom Spektraltyp B2 Ia pe.

Die wichtigsten Daten zu P Cygni:

Scheinbare Helligkeit: 4.8mag Masse:30 M
Absolute Helligkeit: -8.6mag (visuell) Leuchtkraft:610.000 L
Entfernung: 1886 +/-542 pc Temperatur:18.700°K

Radius:76 M

P Cygni liegt nahe bei Sadr (Gamma Cygni) und bildet mit drei weiteren Sternen mit Helligkeiten im Bereich von 7-7.5mag ein markantes Viereck.

Was nun ist an P Cygni so besonders und macht ihn nicht nur zum Namensgeber eines astrophysikalischen Effekts („P Cygni-Profil”) sondern auch zum ständig beobachteten und untersuchten Stern, sowohl von professionellen Astronomen als auch von Amateuren?

Massive heiße Sterne der Spektralklassen O, B und A mit einer Leuchtkraft höher als 104 Lsun haben einen strahlungsgetriebenen Sternwind, mit dem ein relativ hoher Masseverlust des Sterns verbunden ist (bei P Cygni 2 x 10-5 Mass Loss Rate (M/yr)). Der Stern ist also von einer sich ausdehnenden und dabei abkühlenden und in ihrer Dichte abnehmenden Gashülle umgeben. Die Ausdehnungsgeschwindigkeit der Hülle liegt bei beachtlichen 200km/s.

Bereits 1897 fiel Astronomen im Spektrum von P Cygni eine Besonderheit auf. Üblicherweise erwartete man bei leuchtkräftigen Sternen Emissionslinien bestimmter angeregter Atome wie z.B. die Balmerlinien des Wasserstoffs. P Cygni zeigte aber eine seltsame Erscheinung. Während die längere (rötere) Wellenlängenseite des Peaks die Form einer Emissionslinie hatte, sah die kürzere (blauere) Seite wie eine Absorptionslinie aus. Erst um 1930 wurde der zugrundeliegende Prozess verstanden und P Cygni zum Namensgeber eines ganz bestimmten Linienprofils. In Blickrichtung des Beobachters wird die Strahlung des Sterns von den äußeren kühleren Gasschichten absorbiert und erzeugt daher eine Absorptionslinie. Da sich das Gas schnell in Richtung des Beobachters bewegt, ist die Absorption blauverschoben. Links und rechts vom Stern wird dessen Strahlung von der Gashülle gestreut, teilweise auch in Richtung des Beobachters und ist rot- bzw. blauverschoben, da sich die Gashülle sowohl nach vorne als auch nach hinten ausdehnt (Dopplereffekt). Im blauverschobenen Bereich kommt es noch zusätzlich zu einer Kompensation der Emissions- und Absorptionsanteile. Besser als jede noch so wortreiche Beschreibung illustriert eine Grafik die einzelnen Komponenten eines P Cygni-Profils (die beste mit Google gefundene Grafik ist ungarisch beschriftet, was aber nicht weiter stört, da sie selbst beschreibend ist).

 

Nachstehend mein erstes selbst gewonnenes Spektrum von P Cygni am 6.7.2014 mit dem 200-Linien-Gitter, also der niedrigsten Auflösung des DADOS-Spektrographen, was gerade am Anfang mehrere Vorteile bringt (relativ kurze Belichtungszeit, der gesamte sichtbare Spektralbereich passt auf den CCD-Chip, guter Überblick über die spektrale Charakteristik eines Sterns [Spektralklassenbestimmung]).

 

 

Bei genauerem Blick wird auffallen, dass die abwärtsgerichteten Absorptionszacken nicht zu sehen sind. Dies liegt vor allem daran, dass zur Darstellung dieses Details die spektrale Auflösung mit dem 200 L/mm Gitter zu gering ist. Ich habe aus dem gesamten Spektrum den Bereich um die He I Linie bei 6678.15 Å herausgeschnitten, vergrößert und in der y-Achse stärker skaliert. Dann zeigt sich an der blauen Flanke der Emissionslinie eine kleine Absorptionszacke, die ich als zum P Cygni Profil zugehörig interpretieren würde. Das Ergebnis ist aber bei dieser doch etwas brutalen Nachbehandlung mit gewisser Vorsicht zu genießen. Um eindeutige Gewissheit zu erlangen, müsste ich P Cygni nochmals mit höherer Auflösung spektroskopieren. Das wird aber erst für die Cygnus-Sichtbarkeit im Jahr 2015 am Programm stehen oder wie mir ein bereits in der Spektroskopie erfahrener Amateur unlängst sagte: „Man fängt ja auch beim Autofahren nicht mit einem 800 PS Boliden an”. Abgesehen davon bin ich mit der Genauigkeit der Wellenlängenkalibrierung noch nicht restlos zufrieden. Durch die doch recht vielen Arbeitsschritte von der Rohaufnahme über das Kalibrieren bis zur Erstellung des endgültigen Spektrums können sich viele kleine Fehler und Ungenauigkeiten einschleppen, die dann auch in einem ungenauen Ergebnis münden. Dagegen hilft nur üben, Erfahrungen sammeln und möglichst genau arbeiten. Das macht gerade den Reiz an der Sache aus, denn am Ende dieses Weges steht ein wissenschaftlich durchaus verwertbares Ergebnis.

 

 

Die meisten werden wohl nicht wissen, dass P Cygni und die WAA eine besondere Beziehung zueinander haben. Das WAA-Mitglied Wolfgang Vollmann arbeitet bereits länger mit Ernst Pollmann, einem der Dozenten vom Wuppertaler Spektroskopiekurs, an einem Langzeitmonitoring von P Cygni. Dabei geht es darum P Cygni regelmäßig und langfristig möglichst zeitgleich photometrisch uns spektroskopisch zu überwachen, um feststellen zu können, ob ein Zusammenhang zwischen Helligkeitsschwankungen und Veränderungen des Profils der Halpha-Linie bestehen. Einmal jährlich veröffentlichen sie die Ergebnisse ihrer gemeinsamen Arbeit. Die dzt. letzten Ergebnisse dieser Studie - Pollmann and Vollmann: Intermidiate Report on January 2013 Campaign: Photometry and Spectroscopy of P Cygni - sind hier zu finden: http://www.astrospectroscopy.de/PCyg_report_2013.pdf

 

(aus: Pollmann and Vollmann: Intermidiate Report on January 2013 Campaign: Photometry and Spectroscopy of P Cygni)


Aktualisiert am 05.02.2015

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Dr. Thomas Schroefl