Vega (α Lyr)

Spektroskopie
Berichte


Beobachtungsort: 1220 Wien

Lat. 48°14´31´´ N Long. 16°25´34´´ E

Beobachter / Observer: Dr. Thomas SCHRÖFL
E-Mail / email: thomas.schroefl@waa.at
Datum / Date: 22.06.2014
Uhrzeit / Time: 23:00 – 01:00 MESZ
Beobachtungsort / Location: 1220 Wien
Instrument: Celestron C11, Pentax 75 SDHF, DMK 21AU618.AS, Moravian G2-8300, DADOS- Spektrograph (Gitter 200L/mm)
Bedingungen / Observing conditions:
Durchsicht / Transparency: 2
Grenzgröße / Limiting magnitude: 4.0
Aufhellung / Light pollution: 4
Seeing: 2
Wind: Keiner
Temperatur / Temperature: 17°C
Luftfeuchtigkeit / Humidity: 42%
Sonstige Bedingungen / Remarks: Höhe 154m

 

Zwar gab es nach fast sechs Wochen Nebel in der Nacht vom 9. auf den 10. Dezember endlich wieder klaren Himmel und ich konnte fünf neue Spektren von den Orion-Sternen Alnilam, Alnitak, Mintaka, Betelgeuze und Rigel aufnehmen, doch die Ausarbeitung wird wieder einige Nebelnächte erfordern, die leider sicher wieder kommen werden.

So präsentiere ich diesmal Vega, den hellsten Stern im Sommerdreieck, mit dem mich eine besondere spektroskopische Beziehung verbindet. Vega war im Herbstkurs 2013 in Wuppertal der erste Stern den ich spektroskopierte, und Bernd Koch war damals so freundlich, das Rohspektrum für mich auszuarbeiten (http://www.waa.at/bericht/2013/10/20131022sfl17.html).

Vega (α Lyr, 3 Lyr) ist ein Pulsationsveränderlicher vom Typ Delta Scuti (Amplitude 0.07mag, Periode 0.19d) und vom Spektraltyp A0V mit folgenden wesentlichen Eigenschaften:

 

Scheinbare Helligkeit 0.03 mag
Absolute Helligkeit -0.58 mag (visuell)
Entfernung 25.04 +/-0.07 Lj.
Masse 2.135 +/- 0.074 M☉
Radius 2.362 × 2.818 R☉
Leuchtkraft 40.12 +/- 0.45 L☉
Temperatur 8.152–10.060 °K
Alter 455 +/-13 Myr

 

Bei einer Entfernung von nur 25 Lj. liegt es auf der Hand, dass Vega ein sehr gut untersuchter Stern ist und die einzelnen Daten daher eine recht hohe Genauigkeit haben. Zwei Dinge springen sofort ins Auge, nämlich die große Bandbreite beim Radius und der Temperatur. Lange rätselten die Astronomen, wieso Vega einen Helligkeitsexzess gegenüber ihrem Spektraltyp aufweist, also für ihre Spektralklasse eigentlich etwas zu hell ist. Jüngste interferometrische Untersuchungen haben das Geheimnis gelüftet (Aufdenberg J. P. et al.: First Results from the CHARA Array. VII. Long-Baseline Interferometric Measurements of Vega Consistent with a Pole-On, Rapidly Rotating Star http://adsabs.harvard.edu/abs/2006ApJ...645..664A). Vega ist ein sogenannter „fast rotator“, dem wir mit einer Inklination von lediglich 5° fast genau auf den Pol sehen. Die äquatoriale Rotationsgeschwindigkeit beträgt rund 270 km/sec, das sind 91% jener Geschwindigkeit, bei der es den Stern aufgrund der Zentrifugalkraft zerreißen würde. Vega hat daher ähnlich Jupiter keine Kugelform, sondern ist ein Rotationsellipsoid. Das hat zur Folge, dass die gravitativen Kräfte des Sterns am Pol höher als am Äquator sind. Der Druck in der Sternatmosphäre ist daher am Pol höher und daraus resultiert wiederum eine Temperatur, die am Pol höher als am Äquator ist. Aus dem zitierten Artikel stammt die nachstehende Grafik, die diese Effekte gut darstellt:

 


© J.F. Aufdenberg et al. aaO.
Die blauen Schattierungen zeigen den Temperaturgradienten, einmal in Aufsicht auf den Pol und darunter in Sicht der Äquatorialebene

 

Eine besondere Bedeutung hat Vega als primärer photometrischer Standardstern. Vega hat in den Bändern U, B und V jeweils 0.03 mag, somit sind die Farbindices U-B und B-V jeweils 0. Das bedeutet, dass Vegas Farbe rein weiß ist. Aufgrund dieser besonderen Eigenschaft dient Vega als Standardstern zum Eichen photometrischer Messungen. Ausgehend von Vega als primärer Grundlage wurden sodann mehrere Kataloge sekundärer photometrischer Standardsterne erstellt.

Nun zu meiner eigenen spektroskopischen Auswertung:

 

 

Sofort fallen die starken Absorptionslinien des Wasserstoffs auf, die beim Spektraltyp A0V am stärksten ausgeprägt sind (Balmerserie von Halpha bis H9; Hzeta und Heta werden auch als H8 bzw. H9 bezeichnet, da es sich bei diesen Linien um den Schalensprung von n = 8 bzw. n = 9 auf n = 2 handelt). Die Breite von Absorptionslinien (hier den Linien der Balmer-Serie) ist von mehreren Faktoren abhängig, u.a. auch von der Leuchtkraftklasse und zwar derart, dass bei leuchtkräftigeren Sternen die Linien schmäler sind (von den Leuchtkraftklassen I bis V nimmt die Linienbreite zu). Ursache dafür sind Druck und Temperatur der Sternatmosphäre. Je höher der Druck und/oder die Temperatur um so breiter werden die Linien. Ursache dafür sind der Doppler-Effekt der thermischen Bewegung (je heißer ein Gas ist, um so schneller bewegen sich die Atome) und das sogenannte collisional (pressure) broadening (je höher Druck und Temperatur in einer Sternatmosphäre sind, um so häufiger kommt es zu Zusammenstößen zwischen Atomen). Beide Effekte führen zur Verbreiterung von Spektrallinien.

Hingegen sind die Metallabsorptionslinien noch recht schwach ausgeprägt, was einerseits an der geringen Metallizität von Vega liegt und andererseits am Spektraltyp selbst (man vergleiche mit meinem kürzlich veröffentlichten Spektrum von Arcturus Spektralklasse K). Trotz der niedrigen Auflösung sind bereits die Ca II-Linien bei 3933Å, die 2 Mg II-Linien bei 4481Å, das Mg-Triplet und das Na-Dublett sowie eine Eisenlinie zu erkennen.

Bei der Linienidentifizierung bin ich auf einen Spektralatlas von Vega bei Ch. Buil gestoßen, woraus zu ersehen ist, dass mit Amateurmitteln auch die Paschen-Serie des Wasserstoffs oberhalb von 8000Å darstellbar ist, da die meisten CCD-Chips in diesem Bereich noch ausreichend empfindlich sind. Ein Projekt für den nächsten, hoffentlich mit clear skies gesegneten Sommer.


Aktualisiert am 15.05.2015

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Gerald Wechselberger